Wir teilen folgende Stellungnahme des Bundesvorstandes (4.6.22):
Stellungnahme des Bundesvorstandes
Durch eine vor kurzem gestellte Medienanfrage und die folgende Berichterstattung haben wir von den abscheulichen Taten unseres ehemaligen Mitglieds und Kandidaten Dirk Waldhauer erfahren.
Im Laufe mehrerer Jahre hat W. sexuelle Gewalt an zum Teil Minderjährigen verübt.
Explizites Bildmaterial wurde ohne Wissen und Einverständnis der Abgebildeten im Internet veröffentlicht. Wir verurteilen dieses Verhalten auf das Schärfste und distanzieren uns mit dem Wissen um diese Taten ausdrücklich von W.
In aller Aufrichtigkeit möchten wir bei den Betroffenen dafür um Entschuldigung bitten, diesem Menschen viel zu lange eine Bühne geboten zu haben.
Solche Gewalt zu überleben und damit an die Öffentlichkeit zu gehen, bedeutet viel Kraft und Mut.
Wir können uns auch nur schwer eine Vorstellung davon machen, wie belastend die Recherche für die Journalistin gewesen sein muss.
Wir sind dankbar für die journalistische Aufklärungsarbeit und die damit einhergehende Möglichkeit, neben den juristischen Konsequenzen, W. entschlossen entgegenzutreten und unserer Kreise zu verweisen. Unsere moralischen Ansprüche verbieten es, einen solchen Täter in der PARTEI zu dulden.
Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, sodass wir den Betroffenen, jetzt mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln, verbindliche, professionelle und von uns unabhängige Unterstützung zusichern.
Darum wird ein Beratungsangebot für die Betroffenen von einer externen und professionellen Beratungsstelle übernommen.
Betroffene können sich unter folgenden Kontaktdaten an die anerkannte Beratungsstelle wenden:
Telefon: 0151 5491 2191
(werktags, Mo, Di, Do: 9 – 18 Uhr, Mi: 9 – 20 Uhr, Fr: 9 – 16 Uhr)
E-Mail: hilfe_bekommen@proton.me
Außerhalb der Geschäftszeiten und/ oder für Fälle die nicht im beschriebenen Zusammenhang stehen, können sich Betroffene an das bundesweite Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen” wenden:
Telefon: 08000 116016
An der Kommunikation zwischen Betroffenen und Beratungsstelle wird Die PARTEI in keiner Weise beteiligt sein!
Sollten Betroffene dies jedoch explizit wünschen, ist die Antidiskriminierungskommission der PARTEI (ADK) unter folgender E-Mailadresse zu erreichen:
adk-th@die-partei.de
Die ADK wird bei Bedarf von der Beratungsstelle unterstützt.
Wir bitten von Presseanfragen an die Beratungsstelle abzusehen, für Rückfragen sind wir unter presse@die-partei.de erreichbar.
Für weiterführende Hilfen, die z. B. über die für Betroffene kostenfreie Angebote der Beratungsstelle hinausgehen, haben wir einen Fonds eingerichtet, mit dem die Betroffenen bei Bedarf in ihrem Aufarbeitungsprozess unterstützt werden.
Der Fall wirft viele Fragen auf, die und denen wir uns jetzt stellen müssen.
In erster Konsequenz haben wir unmittelbar nachdem wir im Zuge der Recherche von den Vorfällen erfuhren, ein Parteiausschlussverfahren und eine Strafanzeige auf den Weg gebracht.
Der Ausschluss ist die schärfste Sanktionsmöglichkeit, die uns nach dem Parteiengesetz zur Verfügung steht. Dem Ausgang des Verfahrens ist W. wenige Tage später durch seinen Austritt zuvorgekommen. Die strafrechtliche Verfolgung, so war es der Berichterstattung zu entnehmen, scheiterte nach Meinung der Strafverfolgungsbehörden bisher an einem fehlenden öffentlichen Interesse. Mit einer Strafanzeige unsererseits hoffen wir das durch die Recherche gestiegene öffentliche Interesse weiter ausbauen zu können.
Der Kreisverband Erfurt wird mit sofortiger Wirkung aufgelöst.
Der Landesvorstand Thüringen hat geschlossen seinen Rücktritt erklärt, somit wird der Landesverband seine Aktivitäten auf unbestimmte Zeit einstellen.
Eine Neuwahl des Vorstands im Landesverband Thüringen wird erst nach Abschluss der dringend gebotenen Aufklärung stattfinden.
Es gilt herauszufinden, wie es möglich war, dass W. so lange in unseren Reihen aktiv sein konnte. Denn es gab bereits kritische Stimmen sowie direkt Betroffene, die auf sein sexistisches Verhalten hingewiesen haben und nicht gehört wurden. Der Aufarbeitungsprozess muss und wird mit externer Unterstützung stattfinden.
W. wurde nie in ein PARTEI-Amt gewählt, weder auf Kreis- noch auf Landesebene, er wurde jedoch mehrmals als Kandidat zu Wahlen aufgestellt. Es war verschiedenen PARTEI-Mitgliedern bekannt, dass er privat pornographisches Material produzierte. Dass sich in diesem unter anderem Inhalte befanden, welche sexualisierte Gewalt darstellten und strafrechtliche Relevanz haben, war nicht bekannt.
Die – zugegebenermaßen schon damals schlechten – Plakate, auf denen W. abgebildet ist, hat der Landesverband im Kontext dieser Unwissenheit erstellt. Aus der heutigen Perspektive sind die Plakate unerträglich, auch da die Betroffenen dadurch in einem besonders retraumatisierenden Zusammenhang mit dem Täter konfrontiert wurden. Für diese Plakate möchten wir um Entschuldigung bitten.
Von dem gegen den Willen der Betroffenen veröffentlichten Video- und Fotomaterial, der sexuellen Gewalt, der Manipulation und dem Missbrauch Minderjähriger haben wir erst kürzlich durch eine Medienanfrage erfahren. Wir distanzieren uns ausdrücklich von dem Vorwurf, wir hätten uns jemals über diese sexualisierte Gewalt lustig gemacht.
Die Unkenntnis über das Material haben wir in unserer Antwort auf die Anfrage, anders als es im kurz darauf veröffentlichten Artikel suggeriert wird, kommuniziert. Deshalb werden wir die Medien, welche die Recherche veröffentlicht haben, auffordern, die falsche Tatsachenbehauptung “Die PARTEI weiß seit Jahren von einigen der Aufnahmen und machte sich darüber lustig” zu berichtigen.
Unser Hauptaugenmerk liegt allerdings bei der Aufarbeitung dieses Komplexes und der Fortführung des Ausbaus unserer bundesweiten Antidiskriminierungsstrukturen. Diese Arbeit wird sich nicht nur auf den Landesverband Thüringen beschränken.
Wir dürfen nicht mehr zulassen, dass Menschen, die auf Diskriminierungen hinweisen, nicht das Gehör finden, welches sie verdienen. Das ist uns in der Vergangenheit oftmals nicht gelungen.
Auch dafür möchten wir um Entschuldigung bitten.
In der PARTEI ist kein Platz (mehr) für Sexismus!
Unsere ungeteilte Solidarität gilt den Betroffenen.
Der Bundesvorstand
Martin Sonneborn
Peter Mendelsohn
Julia Kölver
Thomas Hintner
Martin Keller
Elise Teitz
Norbert Gravius
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